Montag, 6. Juli 2009

Trojanisches Marketing - Nutzen Sie freudige Ereignisse

„Die Stieglbrauerei zu Salzburg gratuliert dem stolzen Vater.”, so die Headline eines kleinen Folders, der in einem Geschenkpaket enthalten ist, den junge Eltern in österreichischen Geburtskliniken überreicht bekommen. Das ist neu und unerwartet. Mit allem rechnet man ja, was in einem solchen Geschenkpaket alles enthalten ist: Windeln, Babynahrung, eine Stärkung für die Mutter. Aber Bier für den Vater? Der Folder entpuppt sich als Gutschein für einen 6er-Träger Stieglbier.

Das Konzept dahinter, das die Brauerei Stiegl angewendet hat, heißt „Trojanisches Marketing” und nutzt unter anderem die Technik, freudige Ereignisse als trojanische Pferde für die Platzierung von Werbebotschaften zu nutzen.

Bei allen Ereignissen, die für ein Individuum überdurchschnittlich positiv sind, erfolgt eine körperliche Reaktion, die zur Ausschüttung besonderer „Glückshormone” führt. Das erzeugt nicht nur ein subjektiv erlebtes Gefühl von Glück und Freude, sondern bewirkt auch, dass das Gehirn ein erhöhtes Aufmerksamkeitspotenzial aufweist. Das bedeutet, dass in Glücksmomenten die Bereitschaft zur Aufnahme von Informationen deutlich gesteigert ist. Gleichzeitig ist der Mensch in für ihn freudigen Situationen seiner Umwelt gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt. Hochstimmung führt zu erhöhter Fehlertoleranz, lässt leichter über Dinge hinwegsehen, die normalerweise - d. h. in der gewöhnlichen Alltagsstimmung - zu einer Stimmungsbeeinträchtigung führen würden. Gute Stimmung tendiert prinzipiell zur Selbsterhaltung; der Mensch versucht bewusst oder unbewusst, sich diese Stimmung nicht verderben zu lassen und so lange wie möglich in diesem positiven Zustand zu bleiben.

Das Programm des Gehirns sieht eine weitere Möglichkeit vor, das Glück zu perpetuieren. Jedes positive Ereignis zeichnet im Gedächtnisapparat ein besonders nachdrückliches Bild auf, ein besonderes Engramm. Wissen Sie noch, wo und wie das war, als Sie Ihre Führerscheinprüfung absolviert und bestanden haben? Haben Sie noch das Bild vor sich, wie es war, als Sie Ihre erste „richtige” Arbeitsstelle bekommen haben? Erinnern Sie sich noch an die Zeremonie, als Sie das erste Mal für eine sportliche, wissenschaftliche oder künstlerische Leistung öffentlich geehrt wurden? Alle diese Ereignisse sind stark emotional geprägt gewesen, und Sie erinnern sich - egal, wie lange diese Ereignisse zurückliegen - noch heute daran, als sei es erst gestern gewesen.

Physiologische Gehirn-Mechanismen
Inzwischen ist die Neurowissenschaft dahinter gekommen, warum das so ist. Man hat durch so genannte bildgebende Verfahren der Medizin (z. B. Computertomographie) festgestellt, dass es bestimmte Areale im Gehirn sind, die während der Wahrnehmung emotional stimulierender Ereignisse besonders aktiv sind, erkennbar an einer überdurchschnittlich hohen Feuergeschwindigkeit der beteiligten Synapsen, die sich messen lässt. Die Untersuchungen zeigen, dass besonders die Amygdala (der Mandelkern) und der Hippocampus aktiv sind, die auch örtlich nahe bei einander liegen. Dabei stellt die Amygdala den Sensor für den Emotionsgehalt einer Nachricht dar, und der Hippocampus ist stark in alle Gedächtnis- und Erinnerungsprozesse involviert. Wenn man messen kann, dass in stark emotionalen Situationen beide Areale gleichzeitig aktiviert werden, bedeutet das eine „enge Verzahnung von Emotionen und Erinnerungen”, wie Christian Scheier dies in seinem Buch „Wie Werbung wirkt” 2006 formuliert hat.

Andere Autoren sprechen von „Erinnerungsbergen” („reminiscence bumps”, zu denen sich wichtige emotionale Erlebnisse auftürmen (vgl. Markowitsch/Welzer 2005). „Die Gefühle sind dabei als Gedächtnisverstärker aktiv”, wie die Autoren ausführen. In zahlreichen klinischen Versuchen an Mäusen und Menschen haben auch andere Forscher diese Zusammenhänge bestätigt. Ohne diese neuen wissenschaftlichen Studien kennen zu können, erkannte Marketing-Papst Philip Kotler bereits 1974: „Atmospherics ist he effort to design buying environments to produce specific emotional effects in the buyer that enhance his purchase probability.”

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass freudige Ereignisse, die einen starken emotionalen Einfluss haben, die latente Bereitschaft des Gehirns erhöhen, andere Ereignisse aus dem zeitlichen Umfeld ebenso nachhaltig zu erinnern wie das freudige Ereignis selbst. Das freudige Ereignis - in Wahrheit eigentlich also das subjektive Glücksgefühl - wird mit den Informationen verknüpft, die in diesem Moment aufgenommen werden. Diese werden so ebenfalls positiv „aufgeladen” und in das positive Gehirn-Engramm integriert. Das führt dazu, dass jedes Mal, wenn diese Information bewusst oder unbewusst abgerufen bzw. reaktiviert wird, ein positives Gefühl entsteht und wahrgenommen wird. Dadurch wird die Information selbst zum „Glücksbringer”.

Trojanisches Marketing nutzt diese physiologischen Gehirn-Mechanismen aus. Das „Rezept” lautet: Verbinde die (Werbe-, Kommunikations-) Inhalte, die du positiv bei deiner Zielgruppe „aufladen” willst, mit einem Ereignis, das für die Mitglieder der Zielgruppe positiv besetzt ist. Damit erreichst Du, dass deine Botschaft nicht nur positiv abgespeichert, sondern später positiv erinnert wird. Freudige Ereignisse im Leben eines Menschen sind alle Begebenheiten, die mit einem Erfolgserlebnis verbunden sind oder anderweitig überdurchschnittlich positiv erlebt werden.

Checkliste zu “freudige Ereignisse” als pdf zum kostenlosen Download hier:

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